Die Zucht von Trägern
Dank rasanter Entwicklungen auf dem Gebiet der Genetik und der Molekularbiologie sind inzwischen eine ganze Reihe von DNA-Tests für reinrassige Hunde verfügbar. Diese Tests sind zu einem leistungsfähigen Werkzeug geworden, um die Qualität Ihres Hundes einzuschätzen, doch DNA-Tests haben außerdem die Planung von Zuchtprogrammen auf ein ganz neues Niveau gehoben. Auffällig ist jedoch, dass Züchter häufig schockiert oder gewissermaßen enttäuscht reagieren, wenn sich ihr Hund bei einem Test als Träger einer spezifischen Mutation erweist. Im folgenden Artikel möchten wir diskutieren, was genau „Träger“ im Testzertifikat bedeutet, ob Träger in Zuchtprogramme aufgenommen werden sollten und wir möchten außerdem das Stigma im Hinblick auf diesen genetischen Zustand brechen.
Der geschlossene Genpool reinrassiger Hunde
Bereits seit prähistorischer Zeit und der frühen Domestizierung des Wolfes wählt der Mensch Hunde, die er züchten möchte, auf Basis der gewünschten Eigenschaften und Merkmale aus. Durch diese Praxis haben sich heute spezifische Gruppen von Hunderassen entwickelt: Jagd-, Schäfer-, Wach-, Arbeits- und Begleitrassen. Mehr über die Geschichte der Hundezucht erfahren Sie hier.
Hunde mit erwünschten Merkmalen werden häufiger in Zuchtprogrammen eingesetzt, während Hunde ohne diese Eigenschaften überhaupt nicht zum Einsatz kommen. Das bedeutet, dass beliebte Vater- oder Muttertiere ihr genetisches Material häufiger auf die Nachkommen übertragen, während das genetische Material von Hunden, die von der Zucht ausgeschlossen sind, nicht an zukünftige Generationen weitergegeben wird. Diese selektive Züchtung hat zu einer extremen Schrumpfung des Genpools reinrassiger Hunde geführt. Ein kleinerer Genpool erhöht das Risiko von Inzucht oder der Paarung von Hunden, die nah oder entfernt verwandt sind, was wiederum das Risiko des Auftretens von Erbkrankheiten bei Hunden erhöht. Ein reduzierter Genpool ist die wichtigste Ursache, warum reinrassige Hunde im Vergleich zu grundsätzlich gesunden Mischlingshunden oft anfälliger für Krankheiten sind.
Der Genpool ist die Gesamtzahl aller Gene innerhalb einer bestimmten Population.
Vererbung
Die meisten Erbkrankheiten werden autosomal-rezessiv vererbt. Jeder Hund hat zwei spezifische Gene, die er jeweils von einem Elternteil erbt. Gene für eine bestimmte Erkrankung können normal (Sie lösen die Erkrankung nicht aus) oder mutiert sein (Sie können die Erkrankung verursachen, wenn der Hund zwei Kopien des mutierten Gens besitzt).
Ein Beispiel für eine Erkrankung mit einfacher Vererbung sind zahlreiche vererbte Augenerkrankungen, wie z.B. die progressive Retinaatrophie (PRA). Vor der Verfügbarkeit von DNA-Tests wurden die Augen des Hundes vom Tierarzt untersucht. Diese Untersuchungen liefern jedoch keine verlässlichen Daten, da Symptome von Erbkrankheiten oft erst im späteren Lebensalter auftreten, wenn der Hund bereits in das Fortpflanzungsalter eingetreten ist. Das bedeutet, dass der betroffene Hund sich paart und die krankheitsverursachenden Gene weitergibt, ohne dass der Besitzer überhaupt weiß, dass der Hund betroffen ist.
Aufnahme von Trägern in den Genpool
Der einzige Weg, Sicherheit im Hinblick auf das genetische Erbe Ihres Hundes zu erhalten, ist ein DNA-Test. Verantwortungsbewusste Züchter wissen um die Bedeutung solcher Tests und lassen ihre Hunde testen, um die Qualität ihrer Hunde zu erhalten oder zu verbessern. Auf der anderen Seite wirken Besitzer oft verwirrt oder enttäuscht, wenn die Ergebnisse zeigen, dass ihr Hund Träger einer bestimmten autosomal-rezessiven Erkrankung ist. Dank jahrhundertelanger Inzucht unter reinrassigen Hunden ist das Auftreten von Krankheitsträgern nicht ungewöhnlich. Darüber hinaus scheint dies einige Züchter davon abzuhalten, krankheitstragende Hunde in ihren Zuchtprogrammen einzusetzen. Obwohl der Hund eine Kopie der ursächlichen Mutation trägt, ist eine andere Kopie des Allels gesund, und die Träger werden im Hinblick auf eine bestimmte Erkrankung völlig gesunde Hunde bleiben. Wenn ein Träger sich mit einem gesunden Hund paart, besteht eine 50%ige Chance, dass die Welpen keine Träger sind und eine 50%ige Chance, dass die Welpen Träger sind, in jedem Fall jedoch werden ALLE WELPEN GESUND SEIN. Auf der anderen Seite verkleinert ein kompletter Ausschluss des Trägers aus dem Zuchtprogramm den Genpool für das Erbgut dieses Hundes. Die Anwendung dieser Praxis über mehrere Jahre hinweg würde zu einer dramatischen Schrumpfung des Genpools führen, was wiederum zum Entstehen einiger neuer, bisher unbekannter oder äußerst seltener Erkrankungen führen könnte.
Autosomal-rezessive Vererbung
Eine extreme Schrumpfung des Genpools lässt sich am Beispiel des Norwegischen Lundehundes beobachten. Zu einem Zeitpunkt im 20. Jahrhundert gab es nur noch 5 Hunde dieser Rasse. Heute ist die Rasse in gutem Zustand, es tritt jedoch eine rassenspezifische Erkrankung bei dieser Rasse mit einer geschätzten Prävalenz von bis zu 100% auf, das Lundehund-Syndrom. Während heute bereits eine Trägerrate von 10% als hoch angesehen wird, stellt dies ein Beispiel für die extreme Schrumpfung eines Genpools dar.
Wie viele andere Hunderassen durchlief der Lundehund eine schwere Genpoolschrumpfung.
Neue Zeiten, neue Ansätze
Im Laufe der Jahre hat sich herausgestellt, dass der Ausschluss von Hunden aus dem Zuchtprogramm nicht ausreichte, um Erkrankungen aus der Rasse zu entfernen, und dass die phänotypische Untersuchung der Abstammung und des Stammbaums des Hundes zwar gute, aber nicht vollständige Daten zur Qualität zukünftiger Würfe lieferten. Moderne Entwicklungen in der Molekulardiagnostik ermöglichen einen völlig neuen Ansatz bei der Hundezucht, der auf dem genetischen Erbgut aufbaut – im Gegensatz zu Diagnostik, die auf bereits entwickelte Symptome oder sichtbare Phänotypen aufbaut. Die Erkennung von Hunden, die das krankheitsverursachende Merkmal tragen, ermöglicht ihre Aufnahme in das Zuchtprogramm und die Zeugung gesunder Würfe bei der Paarung mit gesunden Hunden. Gleichzeitig ermöglicht dies die Vermeidung der Paarung zweier Träger oder betroffener Hunden und damit auch die Zeugung betroffener Welpen. Zugleich bleibt die Stabilität des genetischen Pools erhalten und das Risiko der Entstehung neuer, unbekannter Krankheiten wird nicht erhöht. Gentests für Hunde bieten einen einfachen Weg, um das genetische Erbgut Ihres Hundes zu identifizieren und die Qualität zukünftiger Würfe zu verbessern, ohne zu einer schädlichen Schrumpfung des Genpools zu führen.
Referenzen:
http://www.breedingbetterdogs.com/article/managing-carriers-pt-1
http://www.instituteofcaninebiology.org/whats-in-the-gene-pool.html